„Zum Wohle des Volkes“ – Traumschüff-Ensemble gastiert zum 7. Mal in Pritzerbe

Zum 7. Mal gastierte das „Traumschüffensemble“ am 26. Juli auf und an der Ablage in Pritzerbe. Ihre diesjährige Produktion hat den Titel „Zum Wohle des Volkes“. Das zentrale Thema ist das Scheitern von Lebensentwürfen und auf welche Art man trotzdem nicht in Resignation und Selbstaufgabe versinkt. Da ist als Erstes die junge Mutter Julie am Vorabend des 6. Geburtstages ihrer Tochter Ella. Sie ist derzeitig alleinerziehend, weil sich der Vater seit einem Jahr auf Selbstfindungstour in Indien befindet und nur sporadisch von sich hören lässt. Wenn die Dreifachbelastung – Mutter, Beruf und Teilzeitstudium – auch noch durch den Ausfall des öffentlichen Nahverkehrs getoppt wird, liegen die Nerven blank. Da kann auch ihre Mutter Monika nur bedingt helfen, die ihrerseits, nach ihrem Ausstieg aus dem Verwaltungsjob, als Lehrerin von den computergenerierten Aufsätzen ihrer Schüler (Obacht: die heißen jetzt „Lernenden“!) genervt ist. Obendrein muss sie den Verlust ihres geliebten Bienenvolkes verschmerzen. Und dann ist da noch Ellas Großvater Marcel – Vater des abhandengekommenen Vaters und Immobilienmakler. Allerdings laufen auch seine Geschäfte nicht wunschgemäß, denn eine neue Windanlage lässt seine Investitionen davon wehen.
Nun könnte man sagen: Tja, wenn Ihr in der Familie besser zusammengehalten hättet, wären Eure individuellen Pläne wohl nicht so krachend gescheitert. Aber so einfach lässt die Autorin des Stückes die Zuschauer nicht davonkommen. Sie fügt eine zweite Spielebene ein, indem sie zwei Angehörige des verschwundenen Bienenvolkes zu Wort kommen lässt; eine Arbeitsbiene und eine Drohne. Gemeinhin denkt man ja, dass Bienenvölker eine perfekte soziale Gemeinschaft bilden und die Beteiligten glücklich und zufrieden sind. Doch kaum kommen Arbeiterin und Drohne ins Gespräch, merken sie, dass ihr Leben nur aus stupider Pflichterfüllung und einem einsamen Tod auf dem Feld besteht.
Diese fünf Figuren machen sich also daran, auf den Trümmern ihrer Lebensentwürfe neue Perspektiven für sich zu entwickeln. Julie entschließt sich zu einem Neustart mit Tochter und Mann in Indien. Monika entwickelt die Idee von einem Leben im Tiny-Haus auf der grünen Wiese – wenn möglich ohne Lernende. Marcel stellt nicht mehr Geld und Erfolg in den Mittelpunkt seines Lebens, sondern Enkelin und Sohn. (Vielleicht gibt es ja auch eine Perspektive zwischen Monika und Marcel.) Und die beiden Bienen holen sich das Einverständnis ihrer Königin und gründen eine WG in einem entfernten Erdloch – aber mit nicht mehr als 20 Mitgliedern.
Wie gewohnt zeichnet sich auch diese Inszenierung des „Traumschüff“-Teams durch viele liebevoll gestaltete Details aus und die Spielfreude der Darsteller schlug die 169 Zuschauer in ihren Bann. Auch wenn vielleicht zu viele der möglichen Stolpersteine des Lebens zur Sprache kamen und keiner davon näher beleuchtet wurde, waren die Figuren lebensecht gestaltet und gespielt. Dabei mussten die SchauspielerInnen jeweils Doppelrollen bewältigen: Friderikke-Maria Hörbe (Monika, Bienenkönigin), Meike Kopka (Julie, Arbeitsbiene) und David Fischer (Marcel, Drohne). Besonders David Fischer beeindruckte mit seinem blitzschnellen Wechsel vom leicht schnöseligen Immobilienhai zum verhuschten Bienenmann. Ulrike Müller, die den Text zusammen mit Jan Lehmann schrieb, schaffte es mit ihrer Regie den roten Faden deutlich zu machen und das Interesse der Zuschauer wachzuhalten. Erstaunlicherweise verfolgten sogar Kinder im Vor- und Grundschulalter die Handlung ebenso konzentriert wie die Erwachsenen, die übrigens keineswegs nur Pritzerber waren, sondern auch aus Brandenburg und Umgebung angereist waren.
Natürlich sorgte auch wieder die malerische Kulisse der Ablage, das angenehme Wetter und der beeindruckende Sonnenuntergang für eine angenehme Theaterstimmung und einen unterhaltsamen Abend.
Durch die Arbeit des „Traumschüff“-Teams wurde allen Anwesenden deutlich, dass auch in Zeiten wie diesen, Probleme, Rückschläge und Enttäuschungen keineswegs ausweglose Situationen schaffen müssen, sondern durch Besinnung auf eigene Fähigkeiten und Veränderung der Perspektive überwunden werden können.
Den von keiner Regie besser gestalteten Abschluss – als die drei Figuren mit Blick auf die Havel ihre neuen Lebenspläne entwickelten – bildete ein Kranichpärchen, das in geringer Höhe im majestätischen Gleitflug die Szenerie überquerte.
